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... HEIMATMUSEUM, Exponat Nr. 26 (1. Mai, 2001)

Nr.26 Die Löwennasen wissen nichts vom Luxus, Stein zu sein. Sie wissen nichts vom Mai, vom Frühling und Gefühlen. Sie wissen nichts von Gänseblümchen, von Butter-, Puste-, Schlüsselblumen oder Vergissmeinnicht und nie geschenkten Rosen. Sie wissen nichts vom Tag der Arbeit und nichts über den Müßiggang. Sie wissen nichts von denen, die in ihrem Schatten warten, von Verabredungen um sieben und allem, was seither geschah.

Die Löwennasen wissen nichts vom treuen tapferen bayerischen Heere, nichts von Ludwig, Luitpold oder anderen Regenten, von Feldherrn, Führern, Fahraddtouren, von der Theatinerkirche links, der Pfälzer Weinstube rechts (oder seitenverkehrt, je nach Perspektive). Sie wissen nichts von den Posen der Touristen, von Spaghetti-Trägern über BH-Trägern über bleiche Schulterkuppen. Sie wissen nichts vom frischen Sonnenbrand im Dekolleté und nichts von Blasen, wundgescheuerten Fersen, weil barfüßig im neuen Sommerschuh. Sie wissen nichts von den getönten Augenblicken eines ersten Rendevouz und nichts von den hungrig Liebkostenden auf den Stufen unter ihren Häuptern. Nichts von der fremden Frau auf dem gestellten Familienvideo.

Von alldem wissen sie nichts. Erinnern sich an nichts, das längst vergessen sein sollte. Ahnen sie nichts vom Heimweh (1991 in Perugia), vom besten Espresso in der Stadt, von Durchreisenden mit geplatzen Orangensaftflaschen und getränkten Keksen im Kofferraum. Wunsch-, sehnsuchtslos bei jedem Wetter, ungekitzelt von den Tauben auf ihren Rücken, angstfrei, ungehemmt und ohne Leidenschaften kennen sie nicht ihr Überlebenspotential. Die Löwennasen vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz, sie wissen nichts, vom Luxus Stein zu sein.


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chlampe an alle