gestern

... HEIMATMUSEUM, Exponat Nr. 24 (26. März, 2001)

Nr.24 Im Hinterhof der Geschichte auf den Arsch gekommen, Hüllen fallen, Blätter vom Mund, Sudelblätter und sog. seriöse Blätter. Umstellt von Müllcontainern und Altpapiertonnen werden olle Kamellen hervorgezogen, feine Unterschiede - damit es auch alle Nachbarn sehen - frisch auf den Wäscheständer gehängt. Stolz-Debatte vs. Patriotismus-Debatte. Hier kloppen sich die Jungs, aufgeschürfte Knie unter grauem Tuch, Bandenkriege, Sandkastenspiele. Im Hinterhof der Geschichte bleibt alles wie es war; wie es damals schon war, wie es besser war und eigentlich ist. So als ob ungeschminkt. Ein in Aspik erstarrtes Unsittenbild von Heimat-Idylle und Saubermann-Machthaberei.

Im Cafe im Hinterhof spielt klassische Musik, am Kasettenrack klebt eine Postkarte von Bach. Jugendstillampen von der Decke, an den Wänden Holztableaus mit Löwen und Tigern. In der Getränkekarte wird unterschieden zwischen Milchkaffee und italienischem Milchkaffee. In Afrika zwingen Priester Nonnen zum Sex. Eine Frau in Kuh-Hose (Frauen statt Rinder?) steht vor der Theke und studiert die dort klebenden Kleinanzeigen. "Tausche Paradies ..." Am Nebentisch werden Urlaubsfotos angeschaut. Sehnsucht nach Nähe und Ferne.

Im Hinterkopf des kollektiven Gedächtnisses steht ein altes, rotplüschiges Sofa. Darauf lümmeln die fröhlichen Deutschen, träumen mit Goethe von Bella Italia, von gemütlichen Abenden eventuell mit geilem Sex und wollen gar nicht fort. Einer aus den Wahlverwandtschaften zum Beispiel, "auf die Frage hingegen, wo er sich denn jetzt gewöhnlich aufhalte, wohin er am liebsten zurückkehre", ließ sich "ganz unbewunden, doch den Frauen unerwartet, also vernehmen. Ich habe mir nun angewöhnt überall zu Hause zu sein."

Im Hinterzimmer der Nation ein trotzig trauriges Häuflein: seelen- und wahlverwandte Weltbürger, heimatlose Stubenhocker, schizophrene Europäer. Jetzt nur nichts fragen.


     zurück

gestern ...
... Statistik


s
chlampe an alle