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... HEIMATMUSEUM, Exponat Nr. 22 (10. März, 2001)

Nr.22 Freiheit! Der Name ist Programm, nur welches? Eines, bei dem in der ersten Reihe zu sitzen selbstverständlich, eines mit vielen Optionen. Der Akt des Wählens an und für sich wirkt schon programmatisch. An sich: Kleidung, Maskara. Für sich: Vitello, Pellegrino. Freiheit, das Besondere, das Individuelle, das blasierte Entzücken im Gruß des Kellners. Auf keinen Fall mit Premiere World zu verwechseln oder der brüllenden Différence, die Skinheads und Fußballanhänger hier nicht eintreten lässt.

Wenn frei ein Potential auf anders sein verheißt, wie könnten deutsche Menschen jemals jubeln!

Liberté toujours, wir rauchen Golois, wir trinken heute Pinot Grigio statt Chablis. Derjenige in der Runde, den für berühmt zu halten wir gekommen, präferierte diesen Wein. Banause, kennt wohl nichts anderes, klar, kommt ja aus dem Osten, denkt man unter vorgehaltener Hand. Hand, die ER vorher schüttelte, ER, der Thüringer Würste mag und jetzt doch ein Pils bestellt. Wir schaudern. Wir bewundern solche Dreistigkeit. Wir wären gerne ähnlich anders, genauso genialisch individuell. Tief insgeheimes Hoffen, Bangen, springt Ruhm so leichtfertig virulent wie Maul- und Klauenseuche über?

Wer heute Freiheitskämpfer oder -in werden möchte lege antizyklisches Verhalten an den Tag und keine VISA-Card auf Rechnungsteller in der Nacht. Rechnen Sie nicht mit einem guten Namen, bleiben Sie anonym und Samstag abend zu Haus. Lesen Sie nicht die Titel von der Bestsellerliste (Dietrich Schwanitz: Bildung, Günter Ogger: Der Börsenschwindel, Bodo Schäfer / Bernd Reintgen: Wohlstand ohne Stress) und lesen Sie auch nicht, was die ZEIT empfiehlt (Sebastian Haffner: Geschichte eines Deutschen, Hans-Olaf Henkel: Die Macht der Freiheit!). Nein, machen Sie all dies nicht und sich selber frei. Legen Sie die schwarzen Klamotten ab. Ziehen Sie sich aus und hinaus in die Welt. Setzen Sie sich so, ja genau, so wie Sie sind, brustbehaart, pickelärschig, kleinbusig, 98 prozentig schön und nackt ins Cafe Freiheit. Lesen Sie die Bibel, legen Sie sich eine Schlange zu Füßen, furchtlos und - frei. Und dann wollen wir mal sehen, was passiert.


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chlampe an alle