gestern

... Blutopfer

Ich betrachte die weiße Schrift auf dem Asphalt, über die ich beinahe achtlos hinweggestiefelt wäre. Als ich wiedert hochschaue, stolpere ich fast in einen Mann, der fast über mich stolpert, weil auch er, durch meinen Blick aufmerksam geworden, nun die Botschaft der Strasse entziffert. An seinem Mantelkragen entdecke ich die kleine rote Schleife. Die kleine rote Schleife, die daran erinnert, dass das Wort "Blut" seit den 80er Jahren eine andere, eine weitere Bedeutung erhalten hat. Blut ñ Gefahr, Risiko, Todbringer. Die kleine rote Schleife, die Mitgefühl und Unterstützung verheisst und doch auch ausgrenzt, die Menschen nicht nach "Blutgruppen" sondern nach "Risikogruppen" einteilt.

16 Mio Tote weltweit wurden heute gemeldet.
5,6 Mio haben sich allein in diesem Jahr neu infiziert.
Das Risiko hat nicht abgenommen.
Kein Grund zur Beruhigung.
Der Anteil der Frauen unter den Neuinfizierten ist 1999 auf
24% angestiegen.
5,500 Menschen sterben täglich in Afrika an der Krankheit.
1. Dezember ñ Welt-Aids-Tag

Es gibt begründete Theorien, die besagen, dass die rote Schleife sich auch deshalb so großer Beliebtheit unter nicht-infizierten, heterosexuellen Erste-Welt-Bewohnern erfreut, weil sie an den Tod der anderen erinnert, an den Tod derer, die man sowieso nicht als seinesgleichen anerkennt, weil sie arm sind oder schwarz oder schwul. Weil man durch das Tragen der roten Schleife zeigen kann, dass man ein guter Mensch ist, dass man tolerant ist, auch wenn mein Kind mir besser keine/n Arme/n oder Schwarze/n oder Schwulen nach Hause bringen soll. Wegen dem Risiko, dessen man sich natürlich als gebildeter und aufgeklärter Mitteleuropäer bewusst ist. Wohingegen diese Risikogruppen...
Man selbst, nein, man selbst zählt ja nicht zur Risikogruppe. Gott sei dank. Womit auch klar ist, dass Gott seine Hand da irgendwo mit im Spiel hat. Kriegt man vom Abtreiben AIDS? Kriegt man vom Fluchen AIDS? Kriegt man von Hass AIDS? Kriegt man von Ausgrenzung AIDS? Kriegt man von Gleichgültigkeit AIDS?

Die rote Schleife. Der kleine Versuch, sich selbst einzureden, dass die anderen sterben müssen, man selbst jedoch keinesfalls einer der anderen ist.

Erst wenn alle rote Schleifen tragen, wird es keine "anderen" mehr geben.

Spenden an die Deutsche AIDS-Stiftung:
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chlampe an alle