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... HEIMATMUSEUM, Exponat Nr. 13 (30. Dezember 2000)

Nr.13 Hier ruhen sie, Frau Karla und Herr Carl, Korbinian, Susette, Wallburga, Fanny, Therese, Benedikta, die von Millers, Mailingers, Zieblands und Zenettis, Familie Pfaendler und Silverio (und alle fragen: wer war bloß dieser Silverio? Das uneheliche Kind, ein adoptierter Neger, der Diener oder Lustgefährte?). Hier ruhen Kunst-, Kirchen und Historienmaler, Hofräte, Kaufmannsgattinen, klassizistische Bildhauer, Molkereibesitzer, Bankmetzgermeister, Realitätenhändler, Privatiere und Gafetiere (was immer das sein mag), Verwitwete, verwittert und in Frieden. Von uns gegangen sind der Joseph v. Lindwurm und Gattin Josephine, der Maler Corregio und Aloisius Senefelder, Erfinder der Lithographie. Von uns geht das alte Jahrtausend, das 20. Jahrhundert. Bereuen Sie nichts? Doch, sogar viel. Und wann hatten Sie das letzte mal Heimweh? 1998 in Ägypten. Im Abfall leere Bierdosen unter einem Spitzendecklein aus Schnee, ein halbgefrosteter Einkaufszettel auf dem Weg: Speck, saure Äpfel, Knödel, Karotten, Aufbacksemmeln, Dosenfutter, Schinken, Ente; Fertiggericht? Ein Jogger dreht die zweite Runde, Mütter mit Kinderwägen. Wo, verdammt, liegt denn nun der Spitzweg?

Dunkel wird es, kalt und relativ der Tod. Verfrühte Böllerschüsse von jenseits der Mauer, ein einarmiger Engel senkt gramgebeugt das Haupt. Die erstarrten Finger der armen Poetin vermögen kaum noch den Kugelschreiber zu halten, sehnt sie sich nach Dachkammer mit Couch. Will schon aufgeben, da plötzlich und immer, wenn man nicht mehr damit rechnet, das gesuchte Grab. 1958 aufgestellt von der Landeshauptstadt München, 73 Jahre zu spät. Welker Kranz vom letzten Jubiläum: gestorben am 23. September. (Mehr zu Leben und Werk unter www.spitzweg.de.)


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chlampe an alle