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... HEIMATMUSEUM, Exponat Nr. 20 (20. Februar, 2001)

Nr.20 Mimi steht frierend auf den Stufen, reibt sich in bemitleidenswerter Selbstumarmung die Oberarme und Schultern. Mimi, dem Tode geweiht, wenn nicht hier, dann in ungeheizter Mansarde. Sie hustet und niemand, der ihr ein Taschentuch reicht, ein Ticket übrig hatte oder sie in ein Taxi setzt nach Hause. Nach Hause, wo es warm sein müsste. Ist es aber nicht. Mimi empfindet vorwiegend Fernweh.

Die Verabredung geplatzt, der Kavalier nicht erschienen, zwei Schneeflocken symbolisch für Winter. Kein Funkeln in Gärtner's Auge, der starr sein unterleibsloses Büsten-Sein fristet. Gegenüber, auf der anderen Seite des Rondells ebenso erstarrt stiert Klenze. Zwei aufgestellt wie zum Duell, was ihrem historischen Vorleben durchaus entspricht. Für Mimi jedoch hebt sich keine Pistole und auch nicht gegen sie. Was eine Erlösung wäre, der Schwindsucht ein Ende bereiten. Oder war es die Sehnsucht?

Vom Warten, vom stehen gelassen werden, worden sein, von der Vergeblichkeit.

Da spürt sie doch noch einen Blick auf sich geworfen, von oben herab, aus dem dritten Stock des Hauses am Platz zur linken. Ein Blick, den keiner sieht, ein blindes Schauen durch unbeseelte Linsen. Die Treppen vor dem Gärtnerplatztheater unter Videoüberwachung, vielleicht die Webcam eines einsamen Voyeurs. Mimi eiskalt im 15 Sekunden Zeitraffer; worldwide; ungefunden. Früher hätte sich wenigstens noch ein verarmter Künstler in Mimi verliebt, ein liederlicher Literat ihr die Nacht geschenkt, wenn schon keine Karte für die Oper. Heute jedoch, wir schreiben das Jahr 01 im längst erloschenen Sternenquadranten B., entfacht das Elend keine erotischen Träume und die verborgene Schönheit von Mimis Trauer erregt nicht ein Fünkchen Kreativität.


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... Vom Tanz durchs verwaiste Foyer


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chlampe an alle