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... Bauch von Franzobel (Fortsetzung) - 15. Mai 2002
Was aber ist der Bierbauch nun genau? Zu seinen hervorstechendsten Charakteristika gehört die kugelförmige, konvexe Ausstülpung der gesamten Bauchdecke, wie sie ansonsten nur bei Schwangeren und Mistkäfern anzutreffen ist. Allen Erkenntnissen zufolge ist der Bierbauch sowohl vererblich als auch genuin ad hoc spontan. So oder so tritt er aber frühestens mit der Adoleszenz zum Vorschein und befällt hauptsächlichst Männer, die, wie Psychologen meinen, damit eine Art Schwangerschaftskomplex kompensieren. Es gibt zwar unter den Pyknikerinnen auch bierbäuchige Frauen, allerdings fällt die Wampe hier im Zunge der Rundumverfettung nur wenig ins Gewicht. Bierbäuchige Kinder gibt vorerst nicht, höchstens in Amerika. Ventum Cervezia in persona, der Bierbauch als solcher hat augenscheinlich keine erkennbaren Vorteile. Im Gegenteil, sein Träger ist meist kaum noch in der Lage, sich selbst die Schuhbänder zu binden oder sich seiner Geschlechtsteile optisch zu versichern, schon alleine deshalb, weil der Bauch dazwischen gewachsen ist. Manche psychologischen Schulen behaupten ja, daß der Bauch eine Art Schamgewölbe darstellt, das dazu dient, die angeborene Sündhaftigkeit zu verbergen, gewissermaßen also eine Ersatzkastration. Davon unbeeindruckt wird dieser tote Winkel von der Familie der wirbellosen Saufparasiten gnadenlos ausgenutzt. Namentlich die eigensinnigen Zecken finden sich vermehrt in der uneinsichtigen Leisten- und Schamgegend und feiern dolce vita. Männer, die nicht den Mut haben, sich umoparieren zu lassen, konsumieren also Backpulver. Etwas anderes ist Bier nämlich nicht, flüssiges Backpulver. Und damit trinkt man sich nun einen Bierbauch an. Wobei die Lehrmeinungen auseinander gehen, ob es sich bei diesem Bierbauch bloß um die Folge zahlloser, durch die gärende Wirkung der Bierhefe losgetretener, unterdrückter Blähungen handelt, die im Laufe der Zeit die Darmwände soweit dehnen, daß ein raumfüllender, sich über den Hosenbund erhebender Bauchballon entsteht. Hierfür spricht das gehäufte Vorkommen des Bierbauches bei Berufsgruppen, in denen Furzen als unschicklich, ja sogar ordinär empfunden wird, also Bankangestellte und Someliers. Oder handelt es sich, wie die entgegengesetzte Gruppe der Bierbauchologen behauptet, um eine schlichte, alle Schlingen betreffende Darmverfettung? Für diese These stehen Berufsgruppen, bei denen trotz ungestörter Furzmöglicheit eine verhältnismäßig hohe Bierbauchhäufigkeit anzutreffen ist, also Bauern und Bauarbeiter. Bislang konnten weder Eingriffe, Querschnitte, noch ins Fleisch gewachsene Sichtfolien eine der beiden Theorien als alleinig gültige inthronisieren. Von allen übrigen, teilweise ins Esoterisch-Absurde gehenden Anschauungen sei hier nur noch die radikaldarwinistische erwähnt, die behauptet, daß der Bierbauch ein flächendeckender Linksdrall sei, es sich beim Ventum Cervezia also um den gescheiterten Versuch der Natur handle, aus dem Amphibieneffet Mensch, eine flugtaugliche Kreatur zu machen. Hierbei wäre der Bierbauch wohl als eine den Menschen erhebende Art Zeppelin zu denken. Leider sind alle Vertreter dieser Lehrmeinung an Magendurchbruch, Leberzirrhose, Blutkrebs, Paralyse oder Überfettung verstorben. Bemerkenswert ist trotzdem, daß das spezifische Gewicht des Bierbauches zwischen 0,8 und 1,5 schwankt, es also durchaus sein kann, daß die Varianten Luftbierbauch als auch Fettbierbauch in voneinander unabhängigen Berufs- und Sozialwelten existieren. Im Aussehen sind aber beide Bierbaucharten ident. Schon auf den ersten Blick fällt die transpirierende, prall gefüllte, faltenlose Haut auf. Im großen und ganzen gleicht der Bierbauch der Gaußschen Normalverteilungskurve. Fett, wo Fett hingehört. Als hätte man einen Fußball in ein Hemd gesteckt. Setzt man beide Hände flach in die Seiten des Leibes eines Bierbauchwamperten und drückt mehrere Male kurz und kräftig, was dem Probanden durchaus nicht weh tut, vor allem dann nicht, wenn er zuvor genügend Bier getrunken hat, so fühlt man unter den Händen deutlich ein leichtes Schwappen und Plätschern, als griffe man in Gelatine. Das ist die sogenannte Bierschwämme, die sich zwar schwabbelig anfühlt, aber ungefährlich ist. Wie bei Schwangeren unterscheidet man auch beim Bierbauch zwischen Rund- und Spitzbierbauch, was zweifellos mit dem Gärungskoeffizienten der bevorzugten Biersorte zusammenhängt. Die genaue Sinus-Bierbauchlinie ist allerdings noch unbekannt, was aber die diversen Biererzeuger nicht davon abhält, damit zu werben, daß ihre Sorte eine ganz besondere Bauchform bewirke. Hochbauch mit obergärigem Gösser. Rundbauch mit Budweiser Lager. Unterbauch mit Ottakringer. Seitenboilerbauch mit Schwechater. Wurstbauch mit schottischem Ale. Hasseröder Pils garantiert sogar den Radius. Trotz dieser umfangreichen Bemühungen, den Bierbauch den modischen Erfordernissen der Zeit anzupassen, hat er nach wie vor mit hartnäckigen, völlig aus der Luft gegriffenen Vorurteilen zu kämpfen. Noch immer sehen nicht wenige im Bierbauch bloß Donauinsel und Oktoberfest. Dabei liegen aus der Experimental-Ergonomie Ergebnisse vor, die deutlich beweisen, der Bierbauch wird unterschätzt. Richtig eingesetzt bietet er überwältigende Vorteile. Nicht nur, daß der wärmende Mantel die wichtigen Organe vor Temperaturschwankungen und nervösen Reizungen schützt. Seine kugelige Hervorwölbung bewahrt die Hosenträger vor unangenehmem Verrutschen. Nicht zufällig verwenden viele Bierbauchhalter keinen Gürtel sondern Hosenträgern. Vor allem aber entlastet Ventum Cervezia die Wirbelsäule. Aufgrund einer besonders ausgeklügelten Schwerpunktverlagerung schont er das Becken und entlastet die Knie. Weiters hat die Medizin einen wohltuenden Einfluß des Bierbauchs auf die Sehmuskulatur festgestellt. Bierbäuche neigen kaum zu Astigmatismus. Und sogar im Sport ist der Bierbauch brauchbar. Besoders Gewichtheber, Kugelstoßer und Diskuswerfer wären ohne Bierbauch verloren. Doch nicht nur das. Aufgrund der vergrößerten Oberfläche und der damit verbundenen Resonanzmöglichkeit steigert der Bierbauch auch die musikalische Empfindsamkeit. Sogar Brigitte Bardot soll sich bereits für einen internationalen Bierbauchschutz eingesetzt, und Parolen verkündet haben wie: Laßt euch nicht absaugen! Boykottiert den Waschbrettbauch. Lang lebe B.B. |
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